Taipei

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Mittwoch, 19. Januar 2011

Neues Jahr- neue Gastfamilie

Wie ihr ja wahrscheinlich wisst, wurde bei mir am 1 Januar die Familie gewechselt.
Über den Wechsel selbst war ich schon ein wenig besorgt, da ich zu meiner ersten Gastfamilie wirklich ein super Verhältnis hatte und mit meinem jetzigen Gastgroßvater schon einige weniger schöne Erfahrungen gemacht hatte.
Der Wechsel selbst war dann auch für mich sehr bewegend. Der Stress der letzten Wochen und die Angst vorm Neuen machte es nicht gerade einfach, aber meine lieber Gastoma und Gastschwester muntern mich schnell wieder auf.
Ich wohne jetzt bei der ***- Familie. Mein Gastgroßvater ist einer der Präsidenten meines Gastclubs und der Jugenddienstbeauftragte von meinem Distrikt 3580.
Er ist sich seiner Macht sehr wohl bewusst und vermittelt mir IMMER, dass ich eigentlich gar nicht gut genug bin um die Ehre zu haben bei ihm zu leben. Das geschieht durch Bloßstellung vor Anderen aber auch direkt, wenn er mir erzählt, wie wenig ich mich verbessert hätte usw.
Ich bin der Mensch der es immer allen recht machen will und ich lerne wirklich wie eine bescheuerte hier. Seine Kommentare und Art kränken mich sehr und zerren wirklich an meinem Selbstbewusstsein. Leider kann ich an der Situation nichts ändern, deswegen versuche ich es jetzt positiv zu sehen und es einfach als gutes Lernerlebnis zu sehen.

Meine Gastoma ist die Nettigkeit in Person. Sie ist wirklich ultra- lieb und die "Strahle- Frau" in der Familie. Sie ist immer ultra- besorgt um mich und möchte das immer alle glücklich sind. Sie liebt es Geld auszugeben und manchmal bringt sie damit Alle zum lachen. Letztlich zum Beispiel hat sie einen Mülleimer für 200 Euro gekauft, nur weil sie ihn gutaussehend fand.
Manchmal tut sie mir aber ein bisschen leid, dann zum Beispiel wenn sie den "Scherbenhaufen" den ihre Stieftochter oder ihr Mann angerichtet haben, wieder aufwischen muss.
Sie ist wirklich die Person in der Familie die für die Harmonie sorgt und ich bin wirklich dankbar sie zu haben und versuche sie glücklich zu machen, wann immer es geht.

Nun zu meiner Gastmutter. Mit ihr habe ich kein gutes Verhältnis. So geht es aber nicht nur mir sondern der ganzen Familie.
Es fängt schon bei den Kleinigkeiten an, ihre Stimme zum Beispiel ist immer total befehlshaberisch und gerne und oft schreit sie rum. Nicht nur ich habe Angst vor ihr, nein ich habe manchmal den Eindruck, dass selbst ihr eigener Mann nichts gegen sie sagt, weil er sie nicht verärgern will.
Sie verbietet mir alles. Zu Anfang sagte sie mir noch, ich dürfte meine Freunde nur Freitag und Samstags sehen. Die restlichen Tage wären für die Schule/lernen und Familienaktivitäten reserviert. Mit diesem anfänglichen Plan konnte ich mich doch sehr anfreunden. Da meine erste Gastfamilie nicht so viel Zeit hatte mir Dinge zu zeigen und ich mir mein Wochenendprogramm alleine organisieren musste, hatte ich darin eine tolle Chance gesehen mehr zu sehen.
Leider hat sich das nicht bewahrheitet. Fakt ist, dass ich NICHT mehr reiten gehen darf und meine Freunde NUR einmal im Monat sehen darf. Reiten darf ich auch nur noch einmal im Monat und auch nur, wenn eins meiner Familienmitglieder mitkommt.
Die sogenannten Familienaktivitäten stellten sich unter anderem als eine Office-Party (Feier ihrer Firma) raus, wo ich niemanden kannte und mich langweilte während alle anderen sich total betranken.
Unter der Woche nach der Schule muss ich sofort Nachhause und darf KEINEN Sport ausüben... ich soll doch lernen ;)
Seit gestern habe ich meine ersten Ferien hier. Drei Wochen wovon ich vom 26-28ten Januar einen Trip mit Rotary nach Hualien habe, auf den ich mich schon total freue.
Die restliche Zeit muss ich mit meiner Gastfamilie verbringen. Da die diese Woche noch arbeiten, darf ich mich Zuhause langweilen. Die Frage ob ich rausgehen darf, stelle ich schon gar nicht mehr aus Angst vor der Reaktion.
Wenn ich Glück habe kommt meine Oma heute früher Nachhause, sie erlaubt mir dann manchmal rauszugehen.
Wie ihr seht, ist das wirklich ein ganz anderes Leben als erwartet, aber bestimmt auch eins, dass mich für die Zukunft einiges lehrt.

Nun zu meinem Gastvater, zu dem ich wirklich nicht viel sagen kann. Er ist recht still und redet fast gar nicht mit mir. Wenn er mit mir redet, dann prinzipiell auf Englisch (da ist er der Einzige). Sogar wenn ich ihm auf Chinesisch antworte, redet er weiterhin Englisch mit mir. Er ist wie gesagt sehr still und wenn ich ihn sehe, verbringt er seine Zeit damit Gitarre zu spielen (melancholische Lieder) oder Fernzuschauen. Eigentlich denke ich, dass er eine sehr nette Persönlichkeit ist, ich kenne ihn einfach zu wenig. Vielleicht werde ich ihn in den Ferien noch ein wenig besser kennenlernen?!

Nun zu Xingxing. Sie ist meine kleine Gastschwester. Sie ist 15 Jahre alt, erstaunt mich aber immer wieder, da sie sich wesentlich älter verhält. Zu ihr habe ich einen super Draht. Ich kann mit ihr über fast alles reden und wenn immer ich wegen ihrer Mom traurig bin, tröstet sie mich. Ich habe wirklich das Gefühl von ihr verstanden zu werden und sie tut mir manchmal echt Leid. Sie wird hier nämlich so unter Druck gesetzt, dass sie manchmal richtige Angstzustände hat. Sie musste jetzt für die großen Finalexamen jeden Tag nach der Schule noch bis 12 Uhr Nachts lernen. Ich denke sie ist wirklich schlau, das merkt man an ihrer ganzen Personalität und doch erreicht sie in den Testen nur mittlere Ergebnisse, weil sie solche Angst davor hat.
Ich hoffe jetzt in den Ferien eine tolle Zeit mit ihr zu verbringen.

Zu unserem Haushalt hier gehört auch noch Enni. Sie ist Indonesierin und wohnt bei uns im Haus oder eher gesagt in unserem Apartment. Bis jetzt weiß ich nicht genau wo sie schläft, denn alle Schlafzimmer sind besetzt. Ich vermute dass sie im Fernsehzimmer auf dem Boden schläft, habe sie aber noch nicht gefragt.
Ich habe großen Respekt vor ihr. Sie arbeitet in hier um ihre Familie Zuhause zu unterstützen und ihrer kleinen Schwester eine gute Zukunft zu ermöglichen. Sie selber hat das Gymnasium beendet, ist also alles andere als dumm und spricht gutes Chinesisch und trotzdem war nicht genug Geld da und die Verantwortung liegt auf ihr, die Familie zu ernähren.
Sie ist wirklich die Beste. Den ganzen Tag verbringt sie putzend, kochend oder mit anderen gerade anstehenden Aufgaben. Wenn ich sie nach einem Schultag frage, wie ihr Tag war, sagt sie mir immer mit einem Lächeln im Gesicht "langweilig". Meine Gastmutter behandelt sie Tier ähnlich und lässt keine Kleinigkeit aus sie anzuschreien.
Ich habe einen großen Respekt vor ihr, denn trotz diesem eintönigen und manchmal herablassenden Lebens ist sie immer gut gelaunt und hilft mir wo sie nur kann.
Jetzt wo ich freie habe, helfe ich ihr auch oft und wo ich nur kann, denn ich bin ihr so dankbar für ihre Unterstützung.

Dann ist da noch unser „Tiger“, besser gesagt Hund. Fragt mich nicht, wieso man einen Hund Tiger nennt, aber vielleicht kommt das ein wenig seiner Personalität gleich.
In dieser Familie geht man nicht mit seinem Hund spazieren. Um sein Geschäft zu erledigen wird Ennis und mein Bad benutzt. Nicht etwa, dass man so etwas wie eine „Katzentoilette“ hätte, nein, da wird dann der Fußboden benutzt. Das ist immer besonders schön, wenn man morgens noch mit dem Schlaf in den Augen in sein Pipi tritt.
Durch zu geringe Bewegung hat er schon einen Tick entwickelt sich immer und überall die ganze Zeit zu jucken. Wenn jemand nur an der Tür klingelt, flippt er schon total aus.

Soweit zu meiner Familie.
Ich lebe jetzt wirklich sehr Zentral, was die MRT (Metro) kosten immens schrumpfen lässt. Ich kann morgens zur Schule laufen (30 Min.), was für mich wirklich eine sehr willkommene Abwechslung bildet.

Mit der Schule komme ich jetzt auch wieder viel besser klar. Nach mehreren Gesprächen, haben sie selber festgestellt, dass sie vielleicht nicht so geeignet für Austauschschüler sind. Nach den Ferien werden wir uns dann zusammensetzten und endlich einen angemessenen Stundenplan diskutieren. Ich hoffe, dass ich dann die Chance bekomme auch mal in höheren Jahrgängen mit in den Unterricht t zu gehen, damit ich wenigstens etwas von meinem Austauschjahr aus der schulischen Sicht mitnehme.

Der angestrebte extra Chinesisch Kurs kann jetzt leider nicht stattfinden. Ich werde mir also eine andere Möglichkeiten suchen müssen.

Insgesamt ist die Situation komplett anders, als ich sie mir vorgestellt hatte. Aber ich sehe die nächsten drei Monate in dieser Familie als gute Chance mein Chinesisch zu verbessern. Ich werde dann ja hoffentlich die letzten drei Monate weitere Zeit haben, mir sozial noch Kontakte zu finden.

Soweit so gut, der nächste Report wird dann über die Rotary Tour sein.